Un mondo prossiano, 2019
Die Collage versammelt einen Teil der Referenzen und der entwurfsrelevanten Notizen
zum Projekt “Rittergut Prossen“ in einem Bild.
Im Jahr 2012 begann Henrike Schoper ihre Dissertation zu dem architekturtheoretischen Ideen-Komplex der città analoga nach Aldo Rossi, in der sie den Ansatz einer Entwurfstheorie vermutete, die seitens des großen Architekten nicht endgültig ausformuliert worden war. Dieser Arbeit voraus ging ein jahrelanger Diskurs mit dem Schweizer Architekten Fabio Reinhart, der in den 70-er und 80-er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts selbst Mitarbeiter bei Rossi und einer der Mitverfasser der gleichnamigen Bildtafel La città analoga: tavola von 1976 war. In vielen und langen Gesprächen mit Fabio Reinhart ist Henrike dabei Schritt für Schritt dem bislang nur schwer fassbaren Phänomen der Entwurfstheorie einer città analoga nähergekommen, ehe sie dieses 2017 inhaltlich ausformuliert hatte und an der Fakultät Architektur der TU Dresden zu diesem Thema promoviert wurde.
Im Jahr 2013 haben uns Freunde angesprochen, ob wir als Architekten mit ihnen gemeinsam das Projekt der Umnutzung eines Rittergutes in der Sächsischen Schweiz in eine Ferienresidenz realisieren wollten. Schon der Begriff des »Rittergutes« reizte uns an dieser Aufgabe – auch wenn das Objekt selbst in unseren Augen weniger als erwartet dem geistigen Bild eines »Rittergutes« glich: es lockte nicht mit Wehrturm und Zinnen, sondern zeigte sich vielmehr als ein barock überformter Gebäuderiegel mit Ursprüngen aus dem frühen 16. Jahrhundert, der unter vielen Schichten von abgehängten Decken, nachträglichen Wänden und Einbauten, doppelten Böden, Fliesen, Tapeten und Dispersionsfarben ungeahnte Schätze in sich barg. Neben der offenkundigen Freude über solche Fundstücke begleitete uns von Anfang an eine konzeptionelle Frage: Welche zeitgemäße entwerferische Strategie finden wir für eine solche Bauaufgabe, die sich zusammensetzt aus der notwendigen baukonstruktiven Sanierung und den restauratorischen Maßnahmen am Bauschmuck, aus der unumgänglichen Einbeziehung neuer Bauteile und dem Wunsch der Bauherren nach attraktiven und vermietbaren Ferienappartements – und unsererseits der gewünschten zeitgemäßen Ausgestaltung der Innenräume? Mit anderen Worten: gibt es einen theoretischen Ansatz, an dem wir uns hier orientieren können?
Im Rückblick ist für uns die Parallelität der oben genannten Ereignisse interessant – konkret bewusst wurden wir uns der Überlagerung des Theoriekonzepts der città analoga und der Möglichkeit ihrer Umsetzung in der baulichen Auseinandersetzung mit dem Rittergut erst im Laufe der Zeit: das »Analoge« hat sich somit parallel zur theoretischen Arbeit von Henrike und unseren stets sich erneuernden Erkenntnissen über das Gebäude in den Entwurfsprozess eingeschlichen, hat diesen aber als ein individuelles Konstrukt begleitet. In Aldo Rossis Begriffen der »osservazione« (der begleitenden Beobachtung) und der »scielta« (der subjektiven Auswahl der entwerferischen Motive) auf Basis des »territorio« (des unmittelbaren kulturellen Umfeldes) haben wir den passenden Rahmen der »analogen« Herangehensweise im Entwurf für das Rittergut gesehen.